Das Projektteam hinter »Media for Peace«

»Media for Peace« (M4P) forscht an friedensförderndem Journalismus durch digitale Technologien. Die Projektmitglieder des interdisziplinären Teams an der Universität der Bundeswehr München sprechen zum Projektstart über ihre Erwartungen.

Portraitbild von Herrn Prof. Dr. Stephan Stetter Portraitbild von Frau Prof. Dr. Kretzschmar & Frau Prof. Dr. Sehl Protraitbild Frau Prof. Dr. Dreo

Kurzinterview

Prof. Dr. Stephan Stetter

Kurzinterview

Prof. Dr. Sonja Kretzschmar (Projektleitung)
Prof. Dr. Annika Sehl

Kurzinterview

Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek

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Interview mit Prof. Dr. Stephan Stetter

Stephan Stetter ist Professor für internationale Politik und Konfliktforschung am Institut für Politikwissenschaft der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München

Was reizt Sie an dem Projekt M4P?

Es fällt sowohl lokalen Akteuren als auch der internationalen Gemeinschaft sehr schwer Friedenschlüsse in internationalen Konflikten herbeizuführen, vor allem aber Friedensprozesse dauerhaft erfolgreich zu gestalten. Ein Großteil aller Friedensabkommen scheitert in den ersten Jahren nach vermeintlich erfolgreichen Abkommen. Einer der Gründe hierfür ist, dass in Konfliktgesellschaften aber auch in der Wahrnehmung dieser Gesellschaften international ein »Konfliktnarrativ« fortbesteht. Dann ist es kein weiter Weg, bis Konflikte wieder aufflammen und Gewalt Einzug hält. Wir wissen trotz aller Forschung und Förderung von »Peace Journalism« noch viel zu wenig darüber, wie effektive friedensorientierte Berichterstattung idealerweise auszusehen hat – sowohl in den Konfliktländern als auch außerhalb. Von M4P verspreche ich mir innovative konzeptionelle und praktische Einsichten hierzu!

Was versprechen Sie sich von M4P speziell für Ihren Forschungsbereich?

Ich forsche vor allem im Bereich der politikwissenschaftlichen Nahostforschung. Allzu oft wird diese Region zu einseitig durch das Prisma von Konflikten, Extremismus und Gewalt betrachtet. Libanon, aber auch die anderen Ländern der Region sind vielfältig und haben oft eine sehr vielfältige und komplexe Medienkultur. Von M4P verspreche ich mir zum Einen, dass die Wahrnehmung dieser Länder auch bei uns als moderne Gesellschaften zunimmt – zum Anderen, dass wir im Rahmen des Projekts eine enge Verzahnung nicht nur zwischen AkademikerInnen sondern auch Medienakteuren bewerkstelligen können.

Welche Impulse können von M4P ausgehen, zusätzlich zu den Forschungsergebnissen?

Die Forschungsergebnisse sind für mich sehr wichtig. M4P soll und muss eine hohe Sichtbarkeit in unseren jeweiligen akademischen Fachcommunities haben und den Forschungsstand zu »Peace Journalism« weiterentwickeln. Ein toller Impuls wäre eine breit genutzte App zu friedensorientiertem Journalismus nicht nur Afghanistan und Libanon – sondern die Entwicklung eines Prototyps, den viele JournalistInnen, BürgerInnen und AktivistInnen weltweit nutzen.


Die Fragen stellte Prof. Dr. Sonja Kretzschmar
Bildquelle:
© Universität der Bundeswehr München/Stetter

Interview mit Prof. Dr. Sonja Kretzschmar (Projektleitung) und Prof. Dr. Annika Sehl

Sonja Kretzschmar ist Professorin für Innovation im Journalismus, Annika Sehl ist Professorin für digitalen Journalismus, beide am Institut für Journalistik der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Universität der Bundeswehr München.

Was reizt Sie beide an dem Projekt M4P?

Prof. Kretzschmar: Ich freue mich sehr, mit M4P eine anspruchsvolle Projektidee realisieren zu können. Wie kann Journalismus in Konfliktregionen deeskalierend und friedensfördernd agieren? Diese Frage ist so umfassend, dass sie gar nicht von einer wissenschaftlichen Disziplin alleine beantwortet werden kann. Hier Antworten zu finden, und das in einem interdisziplinären Team hochkarätiger Wissenschaftler, gemeinsam mit einem Praxispartner, auf internationaler Ebene und in mehreren Ländern – das ist eine tolle Sache und eine große Herausforderung, auf die ich sehr gespannt bin!   

Prof. Sehl: Mich reizen drei Aspekte an diesem Projekt: Erstens, mit dem Friedensjournalismus zu einem relevanten Thema zu forschen, das noch viele Forschungslücken aufweist; zweitens, diese Erkenntnisse in die Entwicklung eines App-Prototypen für deeskalierenden und friedensfördernden Journalismus in Konfliktregionen einfließen zu lassen; und drittens, das Projekt in einem interdisziplinären Team aus Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Informatik bearbeiten zu dürfen.

Was versprechen Sie sich von M4P speziell für Ihren Forschungsbereich?

Prof. Kretzschmar: Forschung im Bereich »Peace Journalism« ist oft eine Defizitanalyse: Man wertet über eine Inhaltsanalyse aus, dass bestimmte Qualitätskriterien von Journalismus in Konfliktregionen nicht eingehalten werden, und dabei bleibt es dann. Reizvoll ist bei M4P, dass hier der gesamte journalistische Workflow wissenschaftlich untersucht werden kann: Eine Nutzerbefragung und -analyse geht der Frage nach, was die Menschen überhaupt wollen; innovative neue Ideen können in Beiträgen anschließend real journalistisch produziert werden. Die erstellten Inhalte können gegebenenfalls experimentell systematisch variiert werden. Was fördert Deeskalation? Anschließend wird die erstellte journalistische Plattform evaluiert. Inhalts- und Rezeptionsforschung zu verbinden, bei gleichzeitiger Einbindung journalistischer Praxis, ist für mich sehr reizvoll.  Ich kenne kein Projekt in unserem Fach, das dieser Fragestellung in einem Team unterschiedlicher Disziplinen bei gleichzeitiger Verbindung von Grundlagen- und Anwendungsforschung bisher nachgehen konnte. Hier auf internationaler Ebene wissenschaftliches Neuland betreten zu können, finde ich sehr spannend.      

Prof. Sehl: Ich leite im Projekt ein Modul zum Topic Modeling der Twitter-Kommunikation von Konfliktakteuren in Afghanistan und im Libanon. Topic Modeling ist ein auf Wahrscheinlichkeitsrechnung basierendes Verfahren, das große Textsammlungen thematisch exploriert. Ein neues, innovatives Verfahren in der Kommunikationswissenschaft, das ich mich freue gemeinsam mit der Informatik in diesem Forschungsfeld anwenden zu können. Darüber hinaus ist es eine spannende Frage, wie ein solches Monitoring für den Friedensjournalismus oder ganz allgemein für den Journalismus nutzbar ist, beispielsweise als Frühwarnsystem für spezifische Themen.

Welche Impulse können von M4P ausgehen, zusätzlich zu den Forschungsergebnissen?

Prof. Kretzschmar: Der Alltag von Menschen in Kriegs- und Konfliktregionen ist mit Leid und oft auch Tod verbunden. Viele Akteure, sei es militärischer oder ziviler Art, arbeiten daran, teilweise mit sehr viel Geld und großem Einsatz, die Situation zu verbessern, Frieden möglich zu machen. Oft ist der Erfolg gering. Medien haben eine sehr zentrale Rolle in Kriegs- und Konfliktregionen; man denke nur an die »Hate-Radios«, die aktiv Genozide gefördert haben. Durch die Erstellung und Erforschung von Journalismus in Konfliktregionen kann im Idealfall eine Blaupause erstellt werden, wie Kommunikation in Kriegs -und Konfliktregionen stabilisierend und friedensfördernd aussehen kann. Diese Blaupause kann für die Medienarbeit von militärischen und zivilen Akteuren genutzt werden. Wenn von M4P Impulse ausgehen könnten, die zur Friedenförderung beitragen, dann wäre das ein toller Output.  

Prof. Sehl: Die Implikationen des Friedensjournalismus für die Gesellschaft in Konfliktregionen sind offenkundig. Viele der Ergebnisse können aber auch ganz allgemein für gemeinwohlorientierten und diskursiven Journalismus wichtige Erkenntnisse liefern. In Deutschland beobachten wir – wie in vielen westlichen Demokratien – eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. Dieser Polarisierung entgegenzuwirken und das Potential eines gemeinwohlorientierten und diskursiven Journalismus zur Integration der Gesellschaft zu nutzen, ist ein Thema, das mich derzeit besonders umtreibt.


Die Fragen stellten Prof. Dr. Annika Sehl und Prof. Dr. Sonja Kretzschmar
Bildquelle:
© Universität der Bundeswehr München/Kretzschmar & Sehl

 

Interview mit Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek

Gabi Dreo Rodosek ist Professorin für Kommunikationssysteme und Netzsicherheit und leitende Direktorin des Forschungsinstituts CODE (Cyberdefense) der Fakultät für Informatik an der Universität der Bundeswehr München.


Was reizt Sie an dem Projekt M4P?

Die Arbeit mit anderen Disziplinen aus den Gesellschaftswissenschaften ist reizvoll für mich, da es den Blick weitet, sich einmal mit ganz anderen Herausforderungen zu beschäftigen. Digitalisierung und Vernetzung entwickeln sich exponentiell. Sie verändern die digitale Gesellschaft und somit das Leben jedes Einzelnen mehr als jede andere Technologie zuvor. Die IT ist zwar das Fundament der zukünftigen digitalen Gesellschaft, jedoch bedarf es einer ganzheitlichen, gesellschaftlichen und insbesondere einer interdisziplinären Betrachtung.

Was versprechen Sie sich von M4P speziell für Ihren Forschungsbereich?

Wir sind täglich mit einer Flut an Informationen konfrontiert. Die Erkennung von Topics bzw. Themen (Topic Modeling) vor allem in unstrukturierten Texten ist dabei eine Herausforderung. Durch die Entwicklung und den Einsatz von Algorithmen zum Topic Modeling können unterschiedliche Erkenntnisse gewonnen werden. Beispiele sind die Verhaltensanalyse zur Erkennung von Trends, wie u.a. die Veränderung der Zustimmung der Bevölkerung zu einer Partei oder dem vorgestellten Maßnahmenkatalog zu COVID-19, oder die Identifikation von Veränderungen in der Bedrohungslandschaft für Cybersicherheit.

Welche Impulse können von M4P ausgehen, zusätzlich zu den Forschungsergebnissen?

Friedensförderung in Kriegs- und Konfliktregionen ist ein sehr spannendes Anwendungsszenario mit hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Ich hoffe mit den entwickelten Algorithmen aus Sicht der Informatik einen Beitrag zur Friedensförderung liefern zu können und gleichzeitig einen weiteren Baustein für die Open Source Intelligence Plattform, die am Forschungsinstitut CODE entwickelt wird, zu erhalten.


Die Fragen stellte Prof. Dr. Annika Sehl
Bildquelle: © Universität der Bundeswehr München/Dreo