DigiPeC – Digital Performance Contracting Competence Center

Risikobasierte Steuerung komplexer Projekte öffentlicher Auftraggeber mit »Digital Twins« und »Smart Contracts«

Nicht nur spektakuläre Einzelfälle wie die mehrjährige Verschiebung der Eröffnung des Berliner Flughafens machen deutlich, wie wichtig die Steuerung von komplexen Projekten an der Schnittstelle zwischen Staat (»öffentliche Hand«) und der zuliefernden Privatwirtschaft ist. Auch bei Rüstungsprojekten treten häufig massive Kosten- und Zeitüberschreitungen auf. Mit einer Staatsquote, die in Deutschland regelmäßig zwischen 44 % und 48 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht und einem Beschaffungsvolumen, das geschätzt bei ca. 350 Mrd. € p. a. liegt, ergeben sich enorme Optimierungspotenziale in der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern und privatwirtschaftlichen Lieferanten.

Vorliegendes Forschungsvorhaben adressiert genau diese Zusammenarbeit und will im Ergebnis einen Beitrag dazu leisten, die Zielsysteme von Auftraggebern und Auftragnehmern durch anreizorientierte Verträge und risikobasierte Steuerung so abzustimmen, dass Großprojekte dauerhaft erfolgreicher beschafft und betrieben werden können.


Projektlaufzeit: 01.08.2020 bis 31.12.2024


Kernhypothese dabei ist, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor die Angleichung der Zielsysteme des Auftraggebers (öffentliche Hand) und der/des Auftragnehmer/s (privatwirtschaftlicher Lieferant) ist und eine risikobasierte Anreizgestaltung für Lieferanten die Angleichung der Zielsysteme verbessert, diese stärker verankert und im Projektfortschritt steuerbar macht.

Die Forschung adressiert die Zielkonflikte zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer als sogenanntes Agency-Problem: Gerade bei komplexen Beschaffungsprojekten existiert ein inhärentes Informationsdefizit des (öffentlichen) Auftraggebers (Prinzipal) gegenüber seinem Auftragnehmer (Agent) über dessen tatsächliche Leistung. Denn diese Leistung kann man – wenn überhaupt – nur zu prohibitiv hohen Kosten (sogenannte Agency-Kosten) vollständig überwachen. Gleichzeitig hat der Auftraggeber hohe Leistungsziele (Fertigstellungstermine, technische Leistungsfähigkeit etc.) bei gleichzeitiger Beachtung von Kostenzielen (Einhaltung von Anschaffungs- und Betriebsbudgets). Demgegenüber wollen Lieferanten möglichst hohe Renditen erwirtschaften, was sie in der Regel dadurch erreichen, dass sie ihre Anstrengungen optimieren (minimieren) bzw. Kosten zu hoch ansetzen. Klassische vertragliche Zusammenarbeitsmodelle, die versuchen, auf Basis von Kostenerstattungspreisen und/oder einseitigen Risikoüberwälzungen zu arbeiten, führen zu den skizzierten Problemen und gefährden den Projekterfolg. Stattdessen zeigt nicht zuletzt die Agency-Theorie, dass eine Interessenangleichung zwischen den Parteien Auftraggeber/Prinzipal (öffentliche Hand) und Auftragnehmer/Agent (privatwirtschaftlicher Lieferant) ein viel wirkungsvoller Weg ist. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber versuchen muss, sein Zielsystem zum Zielsystem des Lieferanten zu machen. Anreizorientierte Verträge (»Performance Based Contracts«) sind genau ein solches Instrument, in dem der Auftraggeber Kosten- und Leistungsziele (»Performance«) definiert und diese mit einem Bonus-Malus-System (Pain and Gain) versieht.


Grafische Darstellung des Risiko Management Prozesses

© Universität der Bundeswehr München
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Die Abbildung in Form einer Pyramide zeigt den Risiko Management Prozess bestehend aus den Methoden (Erarbeitung, Projekt-Anforderungen, Integration), der Moderation durch Experten und der Sensibilisierung in Workshops. Im Zentrum werden die Prozessschritte aufgezeigt – bestehen aus der Risiko Identifikation, einer qualitativen Analyse, einer quantitativen Analyse und der Prozess-Überwachung.

Die Grundidee anreizorientierter Verträge ist relativ einfach, ihre Ausgestaltung und Implementierung gerade bei Großprojekten im öffentlichen Sektor aber nicht trivial. Das liegt zum einen am besonderen Charakter komplexer Beschaffungsprojekte (Vielzahl von komplexen und nicht erkennbaren Risiken, zahlreiche Schnittstellen, häufig enger Zeitrahmen zur Projektabwicklung, hohe Wahrscheinlichkeit der Leistungsänderung [technisch, politisch etc.]) und zum anderen an den spezifischen Rahmenbedingungen öffentlicher Auftraggeber. Diese Rahmenbedingungen betreffen die jeweiligen Projekte als solche (z. B. Vorgaben aus einem Planfeststellungsbeschluss oder aus Zuwendungsbescheiden von Fördermittelgebern), den eigentlichen Beschaffungsprozess (v. a. zwingende Anwendung des Vergaberechts) und die Phase der Vertragssteuerung (u. a. Haushaltsrecht und Verwaltungsrecht, namentlich staatliche Aufsichtsmechanismen). Hinzu kommt, dass bislang bei der Bewertung und beim Einsatz solcher Vertragstypen digitale Technologien kaum eine Rolle spielen, so dass eine Digitalisierung des Beschaffungs- und Vertragsprozesses explizites Ziel dieses Vorhabens ist.

Im Rahmen dessen verfolgt DigiPeC die Abbildung anreizorientierter Verträge als sogenannte digitale Zwillinge, bei Möglichkeit bestehend aus automatisierter bzw. autonomer Entscheidungslogiken auf Basis von Smart Contracts. Durch die Entwicklung eines digitalen Zwillings zielt DigiPeC die Etablierung eines Softwaretools und eines Knowledge Pools ab. Das Softwaretool begleitet den Beschaffungsprozess von der Bedarfsentstehung über die Nutzung bis zum Nutzungsende. Definierte Eingangsparameter wirken für die Entstehung von Projektabwicklungs- und Vertragsmodellen bei. Zur aktiven Unterstützung für die Umsetzung der digitalen Ergebnisse und zur Gewährleistung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses dient das Knowledge Pool als Kompetenzzentrum.


Grafische Darstellung zur Zusammensetzung des Kompetenzzentrums

© Universität der Bundeswehr München
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Die Kompetenzzentrums setzt sich aus einem Moderator, Projektleiter, Projektmitarbeiter, Risikomanager, Protokollant, einen externen Experten und externen Projektmitarbeiter zusammen.

Das Kompetenzzentrum wird gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Technischen Universität München an der Universität der Bundeswehr München aufgebaut. Die Bauindustrie für komplexe Bauvorhaben und das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr für komplexe Rüstungsvorhaben wirken zur Steuerung öffentlicher (Beschaffungs-) Großvorhaben gezielt bei.

Um anreizorientierte Verträge bei komplexen Beschaffungsvorhaben öffentlicher Auftraggeber adäquat untersuchen zu können, werden in dem Vorhaben drei inhaltliche Elemente verknüpft:

  • Erster Ansatzpunkt ist ein effektives Projektmanagement für Großvorhaben,
  • zweites inhaltliches Element ist die Schaffung eines adäquaten Risikomanagements in derartigen Projekten,
  • drittes inhaltliches Element ist die Steuerung von Lieferanten im Sinne eines strategischen öffentlichen Beschaffungsmanagements.

Um diese inhaltlichen Elemente erarbeiten zu können, sieht das Vorhaben vor, drei wissenschaftliche Disziplinen so miteinander zu verknüpfen, dass ein echtes interdisziplinäres Ergebnis entstehen kann:

  • Aus den Technik- und Ingenieurwissenschaften werden Erkenntnisse gewonnen, wie sich technische Großvorhaben adäquat abbilden bzw. aufteilen lassen.
  • Aus den Wirtschaftswissenschaften lassen sich Erkenntnisse ziehen, wie speziell öffentliche Institutionen effizient und effektiv Steuerungsentscheidungen fällen können.
  • Aus den Rechtswissenschaften werden Erkenntnisse gewonnen, wie solche Vorhaben rechtskonform geplant und umgesetzt werden können bzw. welche rechtspolitischen Weiterentwicklungen möglicherweise bis hin zu einem „Öffentlichen Vertragsrecht“ ggf. erforderlich sind.

 

DigiPeC beinhaltet explizit die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis, dazu werden zwei Use Cases aus den Bereichen Bauwirtschaft und Rüstung gemeinsam mit Vertreter/innen öffentlicher Auftraggeber entwickelt.

Kontakt

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Projektleitung

Univ.-Prof. Dr. techn. Philip Sander
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften
Institut für Projektmanagement und Bauwirtschaft

Tel.: +49 89 6004-7620
E-Mail: philip.sander@unibw.de
www.unibw.de/projektmanagement-bauwirtschaft


Univ.-Prof. Dr. Michael Eßig
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften
Institut für Management marktorientierter Wertschöpfungsketten

Tel.: +49 89 6004-4220
E-Mail: michael.essig@unibw.de
www.unibw.de/beschaffung

Weitere Projektleitende

Universität der Bundeswehr München
Fakultät Wirtschafts- und Organisationswissenschaften
Beschaffung und Supply Management

Univ.-Prof. Dr. Michael Eßig
Tel.: +49 89 6004-4220
E-Mail: michael.essig@unibw.de
www.unibw.de/beschaffung

Universität der Bundeswehr München
Wirtschafts- und Organisationswissenschaften
Institut für Management marktorientierter Wertschöpfungsketten

PD Dr. Andreas Glas
Tel.: +49 89 6004-4219
Mail: andreas.glas@unibw.de
www.unibw.de/beschaffung

Projektbeteiligte

Wissenschaftliche Mitarbeitende