Sichere Frühwarnung bei Umweltkatastrophen und Blackouts

29 September 2023

Das dtec.bw-Projekt »ROLORAN – Resilient Operation of LoRa Networks« untersucht Anwendungsgebiete energieeffizienter, störungsresistenter Datenübertragung per Funk in Kritischen Infrastrukturen. In Kooperation mit dem Landkreis Bad Kissingen und der Kärtner Gemeinde Neuhaus werden dabei Kommunikationsinfrastrukturen zur Sturzflut-Frühwarnung und zur Notfallkommunikation in Blackout-Szenarien aufgebaut und erprobt.

Extreme Wetterereignisse kosten Menschenleben und richten verheerende Schäden an. Während im deutschen Ahrtal der Wiederaufbau nach der Hochwasser-Katastrophe 2021, bei der mindestens 135 Menschen starben, immer noch andauert, waren im Sommer 2023 etliche europäische Regionen von heftigen Unwettern und deren Folgen betroffen – darunter auch die an der Grenze zu Slowenien gelegene österreichische Gemeinde Neuhaus, die Kooperationspartner des dtec.bw-Projekts ROLORAN ist. Straßen und Brücken wurden von Wassermassen weggerissen, Erdrusche und Muren gefährdeten ganze Ortsteile, Trinkwasserversorgung und Kommunikation waren massiv eingeschränkt. Eine Erstversorgung und die Einbringung schweren Geräts in das anspruchsvolle mittelgebirgige Gelände für Aufräumarbeiten war nur über Hubschrauber möglich.

 

Einsatzkräfte und Pioniere des Österreichischen Bundesheers beim Wiederaufbau zerstörter Straßen und Brücken im August 2023 (Foto: Heerespressedienst des Österreichischen Bundesheers)

In akuten Krisensituationen ist Kommunikation essenziell – zwischen Krisenstab, Einsatzkräften und unmittelbar Betroffenen, aber auch mit den besorgten Bürgerinnen und Bürgern der Region, die als nächstes betroffen sein könnten. Doch wie kann diese Kommunikation gelingen, wenn weiter im Gebirge verstreute Orte nicht mehr zugänglich sind, gewohnte Kommunikationswege wie Telefon, Mobilfunk und Internet nicht mehr funktionieren und der Strom möglicherweise auch großflächiger und länger ausfällt?

Für dieses Szenario bereitet ROLORAN in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Neuhaus und Ansprechpartnern von Polizei, Feuerwehr, österreichischem Bundesheer und dem Katastrophenschutz des Bundeslands Kärnten eine experimentelle Kommunikationsinfrastruktur auf Basis der Funktechnologie LoRa vor. Einerseits sollen an ausgewählten Standorten des weitflächigen Gemeindegebiets digitale Anschlagtafeln aufgestellt werden, über die von amtlicher Seite Statusinformationen angezeigt werden und die zum Anfordern von Hilfe bzw. zur Meldung neuer Gefahrensituationen und Schäden genutzt werden können. Über Photovoltaik wird eine autonome Stromversorgung ermöglicht. Andererseits soll eine zunächst kleinere Anzahl an Haushalten mit tragbaren Geräten ausgestattet werden, die zwar eingeschränkte Funktionalität bietet, aber in lebensbedrohlichen Situationen das Anfordern von Hilfe ermöglicht, auch wenn die Sammelpunkte nicht mehr erreicht werden können.

Im Rahmen eines viertägigen Aufenthalts vor Ort führte eine Delegation des Projekts ROLORAN erste Funkvermessungen durch, um geeignete Standorte für die Komponenten der Infrastruktur zu ermitteln. Die Funkübertragung gestaltet sich durch landschaftliche Gegebenheiten wie Höhenunterschiede von mehr als 500 Metern im Gemeindegebiet und umfangreiche Bewaldung herausfordernd, gleichzeitig müssen die Standorte aber auch bei anhaltenden Umweltereignissen gut erreichbar und geschützt bleiben. In mehreren Workshops unter Leitung von Bürgermeister Patrick Skubel, Amtsleiterin Regina Wiedl und der Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Kärnten, Carmen Goby, wurden mit amtlichen Stellen, Helfern und Betroffenen der jüngsten Katastrophe zudem umfassende Anforderungen an das technische System und die organisatorischen Abläufe festgelegt. Erste Prototypen sollen 2024 vor Ort erprobt werden.

 

Workshop mit Vertretern von Katastrophenschutz, Einsatzkräften und Betreibern Kritischer Infrastrukturen in der Gemeinde Neuhaus zur Diskussion von Anforderungen an die Blackout-Kommunikation am 20.09.2023 (Foto: Gemeinde Neuhaus/Regina Wiedl)

Auch der bayerische Landkreis Bad Kissingen ist durch seine Lage an der Fränkischen Saale, Lauer, Sinn und Thulba sowie zahlreichen weiteren Gewässern mit festgesetzten Überschwemmungsgebieten für die Gefahren sensibilisiert. Im Ernstfall zählt bei steigenden Wasserpegeln jedoch jede Minute, um die Bevölkerung ausreichend früh und präzise warnen und Einsatzkräfte an die richtigen Orte entsenden zu können.

In Kooperation mit ROLORAN wird deshalb ein großflächiges, ebenfalls auf LoRa-Funk basierendes Frühwarnsystem aufgebaut. Bis Ende 2023 wird hierzu ein größerflächiges Netz aus Pegel-Messsensoren, die beispielsweise an Brücken montiert werden, neben einer Infrastruktur zur funkbasierten Erfassung der Messwerte aufgebaut; dieses soll ab 2024 nachverdichtet und um weitere Sensorik, z.B. zur Messung von Niederschlagsmengen und Bodenfeuchte, verdichtet werden. Auch an der Programmierung der Aufbereitung und Auswertung der Messwerte ist ROLORAN unmittelbar beteiligt, wobei die Daten mittelfristig nicht nur den amtlichen Stellen und Einsatzkräften, sondern in Form von Open Data auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen.

Bei einem dreitägigen Besuch einer ROLORAN-Delegation im Landkreis fand die Unterzeichnung des Kooperationsvertrags mit dem Landrat von Bad Kissingen, Herrn Thomas Bold, statt (siehe Titelbild). Zudem konnten mit dem für am Landratsamt für die Bereiche Digitalisierung, Breitband und Mobilfunk zuständigen Hartmut Vierle zahlreiche geplante und teilweise bereits aufgebaute LoRa-Sensor- und Gatewaystandorte inspiziert und die Planungen für das weitere gemeinsame Vorgehen verfeinert werden.

 


André Dzionara
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dtec.bw
Tel.: +49 89 6004-4506
E-Mail: andre.dzionara@unibw.de


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Bildquellen: Bild links: Bad Kissingens Landrat Thomas Bold und Prof. Dr. Wolfgang Hommel (Projektleiter ROLORAN; vorne von links) unterzeichnen den Kooperationsvertrag. Dahinter von links: Prof. Klaus Buchenrieder, Ph.D. (UniBw M), Hartmut Vierle (Landratsamt Bad Kissingen) und Mario Silaci (UniBw M). Foto: Landkreis Bad Kissingen/Nathalie Bachman I Bild rechts: Einer der ersten ROLORAN-Pegelsensoren an der Sinn in Wildflecken. Foto: Landkreis Bad Kissingen/Hartmut Vierle