Prototypen für Blackout-Kommunikation in Kärnten in Betrieb genommen
6 Oktober 2024
Das dtec.bw-Projekt ROLORAN (Resilient Operation of LoRa Networks) untersucht zivile, behördliche und militärische Anwendungen der energie- und kosteneffizienten sowie für größere Distanzen geeigneten Funk-Technologie LoRa (»Long Range«). In Kooperation mit der österreichischen Gemeinde Neuhaus (Kärnten) wurde Ende September 2024 die erste Generation einer energieautarken LoRa-Krisenkommunikationsinfrastruktur für Blackout-Fälle in einen Dauertestbetrieb überführt. Im Beisein von Bezirkshauptmann Mag. Gerd Klösch, Bürgermeister Patrick Skubel und Amtsleiterin Regina Wiedl wurden die ersten fünf Geräte zunächst provisorisch aufgestellt, in Betrieb genommen und demonstriert.
Vorbereitet auf den Blackout-Krisenfall
Die österreichische Gemeinde Neuhaus war zuletzt 2023 von Starkregenereignissen mit Erdrutschen betroffen, bei denen ganze Ortschaften in der mittelgebirgigen Lage (ca. 400 m bis 1.000 m über dem Meeresspiegel) im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet tagelang von der Außenwelt abgeschnitten wurden. Zerstörte Straßen und Brücken mussten mit vom Österreichischen Bundesheer eingeflogenem schweren Gerät erst wieder behelfsmäßig errichtet werden. In akuten Krisensituationen, in denen ein Zugang auf dem Landweg lebensgefährlich ist, Häuser und öffentliche Infrastruktur zerstört werden, medizinische Notfälle vorliegen können, Internet- und Telefonverbindungen ausfallen, Stromreserven z.B. über Photovoltaik-Anlagen im Unwetter zur Neige gehen und auch Lebensmittel knapp werden können, ist eine Kommunikation zwischen amtlichen Stellen, Katastrophenhelfenden und der betroffenen Bevölkerung essenziell.
Im Projekt ROLORAN wurden deshalb von Internet, Mobilfunk und restlicher Infrastruktur unabhängige, über LoRa-Funk vernetzte energieautarke digitale Stelen entwickelt. Diese Geräte bieten in ihrem Kern die Möglichkeit, über eine digitale Anschlagtafel amtliche Mitteilungen und Informationen zur Lage und zum Stand der Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung in den betroffenen Ortschaften und Ortsteilen anzuzeigen und über eine integrierte Tastatur Hilferufe und Schadensmeldungen abzusetzen, wenn alle anderen Kommunikationsmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen.
Prototypen einer bislang einzigartigen Lösung
Die jetzt in Betrieb genommenen Prototypen wurden im Projekt seit Oktober 2023 entwickelt und von Anfang an sowohl auf Kosten- als auch Energieeffizienz ausgelegt. Der Kostenfaktor spielt eine zukunftsweisende Rolle, um vergleichbare Geräte zukünftig auch international in struktur- und finanzschwächeren Regionen aufbauen und warten zu können. Entsprechend funktioniert die autarke Energieversorgung über eine Solarzelle und eine Autobatterie, die am Ende ihres Lebenszyklus oder bei Beschädigungen vergleichsweise einfach ausgetauscht werden kann. Die Gemeinde bzw. ein von ihr im Bedarfsfall eingerichteter Krisenstab benötigt lediglich einen Laptop mit der im Projekt entstandenen Software, die Mitteilungen ausstrahlen, Hilferufe und Meldungen der Bevölkerung entgegennehmen und eventuelle Rückfragen stellen kann. Die Kommunikation über LoRa ist unabhängig von anderen Infrastrukturen wie dem Mobilfunk und ohne Verträge nutzbar, sodass sich die laufenden Kosten auf die Wartung der vorhandenen Geräte beschränken.
Während die Geräte überwiegend aus »Commercial-off-the-shelf«-Komponenten bestehen, entwickelt das Projekte ROLORAN eigene energieeffiziente LoRa-Hardware und die komplette Software für die Krisenkommunikation. Während LoRa als Technologie beispielsweise auch im Internet-of-Things sowie für Smart Cities eingesetzt wird und es große Communitys von Enthusiasten gibt, denen LoRa-Mesh-Netze wie Meshtastic zu verdanken sind, ist der größere praktische Einsatz in echten Krisengebieten bislang einzigartig. Das im Projekt entstandene ROLORAN Disaster Communication Protocol (RDCP) steht dabei vor der Herausforderung, auch unter extrem widrigen Bedingungen wie Unwetterkatastrophen in ungünstigem Gelände eine verlässliche Kommunikation zu ermöglichen, damit keine Hilferufe verloren gehen, auch wenn die restliche Infrastruktur bereits zusammengebrochen ist.
Krisen-Infrastruktur mit Zukunft
Parallel zur Erprobung der ersten Gerätegeneration wird bereits an der Verbesserung von Hard- und Software gearbeitet. Bis zum Projektende 2026 soll zum einen eine neue Gerätegeneration an insgesamt zehn statt bislang fünf Standorten aufgebaut werden, um eine flächendeckende Versorgung des ca. 36 Quadratkilometer großen Gemeindegebiets zu ermöglichen. Zum anderen werden Prototypen für mobile LoRa-Funkgeräte im Smartphone-Format entwickelt und mit ausgewählten Haushalten getestet, die einen Teil der Funktionalität auch von zu Hause ermöglichen, also ohne dass bei akuten Unwettersituationen die nächstgelegene LoRa-Stele aufgesucht werden muss.
Darüber hinaus sollen auch ausgewählte kritische Infrastrukturen integriert werden, beispielsweise das örtliche Seniorenzentrum, das z.B. bei erforderlichen Evakuierungen von Ortsteilen eine zentrale Rolle bei der Notversorgung einnimmt. Ebenso finden erste Gespräche u.a. mit dem Katastrophenschutz des Landes Kärnten statt. Im dtec.bw-Projekt ROLORAN werden neben der Blackout-Krisenkommunikation noch weitere LoRa-Anwendungsszenarien erprobt, beispielsweise zur Sturzflut-Frühwarnung in Kooperation mit dem Landkreis Bad Kissingen. Das Projektteam dankt der Gemeinde Neuhaus, den Mitarbeitenden des dortigen Bauhofs und den Nachbarn, die uns die Praxiserprobung möglich gemacht und uns vor Ort tatkräftig unterstützt haben!
Weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Projektwebsite von ROLROAN >
Links: Vorstellung des Projekts ROLORAN für Schülerinnen und Schüler der Volksschule Neuhaus/LŠ Suha (© Selina Persche). Rechts: erste provisorische Aufstellung einer ROLORAN-Stele an erhöhtem Standort im besonders krisengefährdeten Motschula-Graben (© UniBw M).
Weiterführende Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Projektwebsite von ROLORAN >
Ansprechperson:
André Dzionara
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dtec.bw
Tel.: +49 89 6004-4506
E-Mail: andre.dzionara@unibw.de
Titelbild: Amtsleiterin Regina Wiedl, Prof. Dr. Wolfgang Hommel, Mario Silaci, Gabriel Potočnik, Bezirkshauptmann Mag. Gerd Klösch und Bürgermeister Patrick Skubel bei der Demonstration einer ROLORAN-Stele vor dem Gemeindeamt Neuhaus. (© Selina Persche)